Humorvolle Menschen haben eine magnetische Wirkung. 97 Prozent von 700 CEOs gaben gemäss einer Studie von Hodge and Associates an, sie würden humorvolle Leute im Business bevorzugen und seien überzeugt, dass diese auch bessere Arbeit leisteten.* Über die Bedeutung von Humor in der heutigen Berufswelt spricht Frau Barbara Stauffer, Trainerin und Keynote-Speakerin mit Schwerpunkt Kommunikation und Business-Humor.

1. In Stellenausschreibungen wird vermehrt nach Humor als Kompetenz gefragt? Wie ist diese Entwicklung zu verstehen?

Lange Zeit galten Effizienz und Effektivität als höchste Tugend im Business. Immer mehr, immer besser, immer schneller, das war die Devise. Die Rechnung ging, wie sich heute zeigt, nicht auf. Die Vernachlässigung menschlicher und zwischenmenschlicher Parameter wurden allzu lange ignoriert. So häuften sich die Krankheitsfälle, angefangen bei Rückenproblemen, Migräne, bis hin zu Depression und Burnout.
Tatsächlich nahmen vor allem die psychischen Erkrankungen in den letzten Jahren bedenklich zu, nämlich um über 30 Prozent**. Wie traurig für alle Beteiligten, so kostspielig auch für ein Unternehmen. Daraus entstand allmählich ein Umdenken von der falschen Annahme: ’erst die Arbeit, dann das Vergnügen'. Wenn vielmehr beides zusammenwirkt, dann entsteht wahre Produktivität, Motivation, inklusive psychische Gesundheit und Mitarbeitendentreue.

 

2. Welche positive Wirkung hat Humor konkret auf die Arbeitswelt?

Humor hält gesund, stärkt das Immunsystem, verbessert die Durchblutung und beugt Herz- Kreislaufkrankheiten vor, schmelzt Stresshormone weg und setzt Endorphine frei. Regelmässiges Lachen steuert gegen Depressionen, lindert sogar körperliche Schmerzen. Humor macht resilient, gilt als ‘das’ soziales Schmiermittel und beste Mobbing-Prävention. Schwieriges kann elegant kommuniziert werden, ohne zu verletzen. Also, definitiv hebt sich ein Unternehmen mit einer Prise oder gar mit einer ganzen Schaufel Humor definitiv von der Konkurrenz ab. Für Bewerber/Innen kann Humor somit ein klares Alleinstellungsmerkmal sein.


3. Ist Humor erlernbar?

Ja, Humor ist definitiv erlernbar. Es ist eine bewusste Entscheidung für das Farbige, Facettenreiche, nicht für nur Schwarz oder Weiss. So sind wir im Ernstfall auch besser gewappnet, schwierige Situationen aktiv und differenziert anzupacken. Humor macht kreativ und positiv handlungsfähig. Tatsächlich können wir das trainieren, wie einen Muskel.

 

4. Wie gestalten Sie ein solches Training?

In meinen Workshops und Coachings mache ich eingangs oft einen Humortest. Jeder Mensch verfügt nämlich über andere Humorressourcen, je nach Extra- oder Introvertiertheit. Hier werden also bewusst die individuellen Stärken aktiviert, so dass Humor-Erfolgserlebnisse sogleich einsetzen. Der so genannte ‘Boss’ kann zum Beispiel am einfachsten schlagfertig reagieren. Der ‘Star’ auf der anderen Seite braucht gar nicht viele Worte, um andere zum Schmunzeln zu bringen, sondern reagiert mit humorvoller Mimik, Gestik. Der ‘Eremit’ benutzt wortwitzige Untertreibungen, während der ‘Lazarus’ in gespielter Unkenntnis neue Sichtweisen hervorzaubert oder die Sprache hinterfragt, zum Beispiel so: “Kann eine Tageszeitung auch nachts gelesen werden?” Wer die einzelnen Typen versteht, kann nicht nur einfacher Humor produzieren, sondern versteht auch das Gegenüber schneller, einfacher und reagiert entsprechend empathischer.


5. Was sind weitere Strategien?

Auch gibt es Humorstrategien, die einfach zu erlernen sind: Dazu gehören zum Beispiel der emotionale Humor oder der Bruch. Ein Beispiel: Jemand wird verbal verletzt mit dem Satz: “Was, das hast du noch immer nicht begriffen?”


Beim emotionalen Humor folgt eine rein körpersprachliche Reaktion mit einem übertriebenen Gesichtsausdruck. Diese Wirkung löst einen überraschenden Effekt aus und bewirkt ein Schmunzeln, der Vorwurf verpufft, ein Reset der Situation wird möglich. Elegant wird das Gesagte zurückgespiegelt, ohne den Angriff anzunehmen oder gar aggressiv zurückzuwerfen.


Beim so genannten Bruch folgt eine andere Reaktion als erwartet. Zum Beispiel antwortet der Angegriffene mit einem Sprichwort, das überhaupt nicht passt, wie: “Ja, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm” oder neu variiert: “Ja, auch ein blindes Huhn findet mal einen Versager.” Diese Reaktion löst Erstaunen aus, der Unterbruch zeigt Wirkung, ohne Angriff. Das kommt souverän und selbstbewusst rüber.
Das sind nur zwei von zahlreichen Regeln der Komik, da findet jede und jeder Strategien, die zur jeweiligen Persönlichkeit oder Situation passen.

 

6. Wie wirkt sich Humor auf andere berufliche oder soziale Kompetenzen aus?

Gerne liste ich ein paar Beispiele auf.

Kreativität: Mit Humor geschieht ein wichtiger Perspektivenwechsel, wird ‘outside the box’ gedacht. Kreativität kann nur in einer angstfreien Atmosphäre aufblühen, wo viel gelacht, selbst Unsinniges ausgesprochen werden darf. Dadurch wird die linke und rechte Hirnhälfte aktiviert, es entstehen neue Assoziationen, die zentral sind fürs kreative, ganzheitliche Denken. Dank Humor entsteht tatsächlich bis zu zehn Mal mehr Kreativität gemäss einer Studie der Universität Oklahoma***.


Kommunikation: Mit Hilfe von Humor lassen sich auch schwierige Dinge einfacher ansprechen. An der Rückenlehne eines Rollstuhls las ich zum Beispiel einmal: ‘Sie denken, ich fahre langsam? Sie haben mich noch nicht gehen gesehen. ’ Das wirkt nicht nur lustig, sondern auch selbstbewusst und souverän. Mit humorvoller Schlagfertigkeit kann auf verbale Verletzungen authentisch reagiert werden. Missverständnisse, Frust, Hilflosigkeit oder Wut müssen nicht mehr wortlos geschluckt werden, sondern finden kreative Wege, und keine zwischenmenschliche Negativspirale entsteht.


Selbstsicherheit: Wir alle machen Fehler, ausser, wir machten nichts. Wer Erfolg hat, scheitert. Mit Rechtfertigungen sind wir recht schnell fertig, was wir zu verbergen versuchen, wird umso sichtbarer. Lieber mutig voran, die Situation nutzen, um Humor zu erzeugen. Ja, alltägliche Flops bieten die beste Chance dazu. Wenn wir beispielsweise stottern, den Faden verlieren, schwitzen, uns bekleckern usw. übertreiben wir das gelassen mit innerem Schalk und spielen mit den Missgeschicken so, wie es natürlich auch zur jeweiligen Situation und Persönlichkeit passt. So blamieren wir uns nicht, sondern gewinnen authentisch und souverän die Kontrolle, beweisen enormes Selbstbewusstsein, viel Mut und gewinnen garantiert Sympathiepunkte.


Auftrittskompetenz: Wir präsentieren immer und überall, bei jeder Begegnung hinterlassen wir eine Wirkung. Diese gilt es, aktiv und bewusst mitzugestalten, damit wir positive Spuren hinterlassen bei unseren sozialen Netzwerken, Freunden, Arbeitskollegen, Vorgesetzten. Humor ebnet definitiv diesen Weg.
Wer auch faszinierend referieren kann, hat viele Vorteile gegenüber der Konkurrenz. Wie viele langweilige Präsentationen es doch gibt. Wer ein Referat aber mit Humor aufgepeppt, zieht die Zuhörenden sofort in ihren Bann. Das kann ein witziger Spruch zu Beginn sein, aussergewöhnliche Folienbilder. Auch lohnt es sich, Gegenstände zur Veranschaulichung mitzubringen, welche die Aufmerksamkeit wecken und der Erinnerung nachhelfen. Ein Beispiel: Jemand sollte über eine trockene Materie referieren. Nun, auch ein Petit Beurre ist trocken. Was hat das mit dem Referat zu tun? Beim Humor werden scheinbar unpassende Dinge miteinander verbunden, so dass der Überraschungseffekt entsteht. Bei einem möglichen Einstieg werden daher die Kekse mit folgendem Kommentar verteilt: “Das heutige Thema dürfte etwas trocken anmuten wie diese Petit Beurres, doch mein Ziel besteht darin, Ihnen die schmackhafte Seite heute darzulegen.” Schon ist das Interesse geweckt.


Schreibkompetenz: Statt Standardmails lohnt es sich, auch hier mal mit Humor aufzulockern. Das fällt äusserst positiv auf. Im Gegensatz zum mündlichen Austausch bleibt hier genug Zeit, sich was Lustiges auszudenken. Schon eine atypische Begrüssung, ein anderer Abschied, kann einen spannenden Unterschied ausmachen.


Lernkompetenz: Das Wissen von heute ist morgen schon wieder Schnee von gestern, und doch ist es zentral, dass wir immer auf dem Laufenden sind: Unser aller ‘life long learning’ sollte idealerweise Freude bereiten. Lernen mit humorvollen Eselsbrücken lohnt sich. Erinnert wird nämlich Aussergewöhnliches besonders gut. Kreieren Sie bei den Notizen Bilder, Symbole. Diese sind eine riesige Erinnerungshilfe, wie diverse Untersuchungen zeigten. Memorisiert werden nämlich an erster Stelle Bilder (Bilder sagen mehr als tausend Worte), dann Farben und erst an dritter Stelle Schlüsselwörter (also besser als ganze Sätze). Auch können reale oder fiktive Figuren beim Lernen helfen. Man stelle sich vor, diese würden sich dazusetzen. Was wären Fragen, Meinungen, Einwürfe ihrerseits? Durch diese Perspektivenwechsel werden zusätzliche Einsichten gewonnen.

 

7. Welche Tipps würden Sie Studierenden zum Thema Humor mitgeben?

Kinder lachen pro Tag durchschnittlich etwa 400 Mal, Erwachsene gerade mal 16 Mal. Studierende dürfen das Lachen auf ihrem Weg nicht verlieren. Klar, sie stehen unter enormem Leistungsdruck, müssen sich beweisen, vielleicht drücken auch noch Geldmangel, zwischenmenschliche Sorgen mit Eltern oder Freunden. Gerade hier hilft ein bewusster Einsatz von Humor, gibt Trost, Kraft, Mut.


Daher empfehle ich, den Humor bewusst in den Alltag zu integrieren. In einigen Situationen fällt vielleicht eine humorvolle Reaktion anfangs noch nicht spontan ein. Ein anderes Mal steht mehr Zeit zur Verfügung. Dann lohnt es sich, mal kurz inne zu halten und zu überlegen: ‘Könnte ich hier mal anders denken, anders handeln? Welche Sichtweise wäre hier auch noch möglich, konstruktiv, sogar lustig?' So wird humorvolles Denken und Handeln trainiert, immer spontaner glücken, zur Freude aller.


Noch einen letzten Tipp für den Berufseinstieg: Bewerben Sie sich mit Humor! Nutzen Sie Humor bewusst als Teil von Ihrem Alleinstellungsmerkmal, von Ihrer Unique Selling Proposition (USP). Ein seriöses Porträtbild mag schön sein, geht aber in der Flut der Konkurrenz eher unter. Hier heisst es, passend aufzupeppen, aufzufallen. Dies kann ein Schreiben mit einem Dart-Hintergrund sein (‘mit mir treffen Sie ins Schwarze'), eine Collage mit Ihren verschiedenen positiven Gesichtsausdrücken, ein eindrückliches Accessoire in Ihren Händen usw. Nehmen Sie Bezug zum Unternehmen. Wenn es sich um ein Logistikunternehmen wie die SBB handelt, gestalten Sie aus der Bewerbung einen Fahrplan, wenn es sich um eine Bank handelt, zeigen Sie eine steigende Börsenkurve in Ihrem Lebenslauf. Da gibt es unendlich viele Möglichkeiten. Viel Glück und Erfolg wünsche ich, schmunzeln Sie sich Ihren Weg frei!
Vielen Dank für das Gespräch!

* WEKA-Artikel vom 11. 4. 2017, Roman F. Szeliga.
** NZZ-Artikel vom 23. 4. 2018, Albert Steck.
*** WEKA-Artikel vom 11. 4. 2017, Roman F. Szeliga.


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Barbara Stauffer studierte Germanistik an der Universität Zürich und dozierte Deutschdidaktik an der pädagogischen Hochschule Zürich. Seit 2006 ist sie Geschäftsführerin, Trainerin und Keynote-Speakerin in den Bereichen Sozialkompetenz und Teamentwicklung mit Schwerpunkt Kommunikation und Business-Humor. Verschiedene Firmen wie AXA Winterthur, Bank Rahn & Bodmer, BDO AG, Bundeshaus Bern, Bundesgericht Lausanne, Universität St. Gallen, Thurgauer Kantonalbank zählen zu ihren Kunden.
Gegen Mitte Mai erscheint ihr zweites Buch, es heisst ‘ready for business: Mit Speed zu mehr humorvoller Gelassenheit’. Hier werden genau diese Themen ausführlicher behandelt. Weitere Informationen unter: ww.humor-training.ch.

VON
Christina Sandau-Jensen

Christina Sandau-Jensen

Karriereberaterin