
Ehrlicher Reflexionsprozess
durchdenken Jeder Karriereentscheidung geht ein Selbstreflexionsprozess voraus, bei dem neben der Bedeutung von Kompetenzen, Erfahrungen und Stärken, die Fragen, wer bin ich, was kann ich, was macht mich aus, welche Werte sind mir wichtig, worüber definiere ich meine Identität, welches Umfeld passt zu mir, ehrlich und differenziert zu betrachten sind. Die Gewichtung der Fragen sind sehr individuell und die daraus resultierenden Karrierewege auch, unabhängig von sexueller Orientierung oder kulturellem Kontext. Die Frage der Identität und der Umgang damit nimmt in dieser Reflexion einen besonderen Stellenwert ein. Am Arbeitsplatz uneingeschränkt die Person sein zu können, die man ist, ist nicht überall selbstverständlich. Deshalb ist es von zentraler Bedeutung, wie grosszügig und bewertungsfrei man in einem Team mit Diversität, unterschiedlichem Background und unterschiedlichen Kommunikationsstilen umgeht.
Aktive Entscheidungen
treffen Laut der Studie Out@work (2019) von BCG halten 22 Prozent von LGBTI-Talenten in der DACH-Region ein "Coming Out" nach wie vor für ein Karriererisiko. Die Entscheidung, wieviel und was von sich im beruflichen Kontext preiszugeben, bleibt eine individuelle und hängt vom jeweiligen Wohlfühlmassstab ab. Bei der BCG-Studie ist die geoutete Gruppe, die sich damit wohl fühlt, mit 44 Prozent die grösste, gefolgt mit 35 Prozent von der nicht geouteten Gruppe, die sich dabei wohl fühlt. Die geoutete Gruppe, die sich damit unwohl fühlt, ist mit 8% die kleinste. Wie bei jeder Entscheidung gilt es auch abzuwägen, wie hoch der Preis ist, wenn nicht entschieden wird oder wenn etwas für sich persönlich Wichtiges nicht gezeigt oder zurückgehalten wird. Für alle Jobsuchende gilt, sich selbst bewusst und klar zu sein, wieviel man von sich preisgeben möchte oder anders gesagt, wieviel Persönliches selbstverständlich zu einem passenden Job und zum beruflichem Umfeld gehört.
Ein passendes
Umfeld suchen Bei der Suche nach einem passenden Unternehmen mit einer offenen, inklusiven Grundhaltung lohnt sich eine sorgfältige Recherche auf den verschiedensten Kanälen. Welche Vorgesetzte, welche Teammitglieder haben einen ganz natürlichen Umgang mit den diversen Lebenskonzepten aller Mitarbeitenden wie «Du bist Gay; Na und?» getreu dem Motto von Aristoteles «Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile». Welche Unternehmen zeichnen sich durch ein LGBT+ freundliches Label aus? Bei den Vorstellungsgesprächen bieten sich gute Gelegenheiten, den Gesprächsteilnehmenden etwas auf den Zahn zu fühlen und rauszufinden, ob die Unternehmen zu den Bewerbenden passen und welche Kultur tatsächlich gelebt wird. Da darf man bei dem Teil der eigenen Fragen durchaus etwas mutig sein. Eine Frage könnte sein: «Sie stehen für eine offene, respektvolle und inklusive Arbeitskultur. Woran merke ich das im konkreten Arbeitsalltag?» Ein simples Mittel, ob tatsächlich echtes Interesse an Vielfalt und einem diversen Blick auf eine Thematik und deren Gewichtung vorhanden sind, ist generell die Überprüfung des Anteils an Redezeit. Wer kommt wieviel zu Wort und wem wird das Wort überlassen? Wieviel Energie kostet es jedes Mal, sich überhaupt einbringen zu können. Eine zentrale Frage ist auch, rauszufinden, woran denn Arbeitsleistung wie Resultate, Output und Engagement faktisch gemessen werden.
Netzwerke aktiv
pflegen Berufliche und private Netzwerke langfristig aufzubauen und diese sinnvoll und massvoll zu nutzen, ist von essenzieller Bedeutung für den gesamten eigenen Karriereweg. Diese Netzwerke gilt es sorgfältig zu pflegen und zu priorisieren, um digital oder analog miteinander ins Gespräch zu kommen, verlässliche Informationen auszutauschen, die eigenen Denkmuster zu überprüfen und zu erweitern, Erfahrungen und Wissen zu teilen und Erfolgsgeschichten erzählen zu können. Dabei ist zu beachten, dass alle Netzwerke mittels «Geben und Nehmen» funktionieren und dass das Geben grosse Wirkung zeigen kann.
Eigenverantwortung
übernehmen Sein Leben und die dazugehörenden beruflichen Entscheidungen in die eigenen Hände zu nehmen und mutig Herausforderungen aktiv anzupacken, ist eine Schlüsselkompetenz für individuell zufriedene, erfolgreiche und sinnstiftende Karrierewege. Sich trauen, Dinge auszuprobieren, unbekanntes Terrain zu betreten, mutig, vielleicht manchmal unkonventionelle Wege zu gehen und sich dabei selbst treu zu bleiben, dazu wünsche ich Ihnen alles Gute, viel Freude und Vertrauen.
Ines Danuser, Senior Career Counsellor CSC,
Dieser Artikel erschien in einer kürzeren Version auf unisg.ch