Sogar der gefragteste IT-Experte oder beste Vertriebsprofi muss aktuell um seine Existenz bangen, wenn er in einer Branche wie dem Veranstaltungswesen oder im Tourismus tätig ist. Denn wegen der Corona-Pandemie brechen hier Umsätze weg. Mit einer Erholung des Geschäfts ist so schnell nicht zu rechnen. Es droht Arbeitslosigkeit.
Doch egal ob Solo-Selbstständige, Freiberufler, Unternehmer, Manager oder Maschinist - alle müssen beruflich umdenken, sich neu positionieren. „Zu glauben, nach dem Abflauen der weltweiten Pandemie gehe es beruflich weiter wie zuvor, ist illusorisch“, sagt Katharina Lochner, Professorin für Wirtschaftspsychologie an der University of Applied Sciences Europe.
Dazu kommt, dass sich ein Trend beschleunigt, der bereits vor Ausbruch des Covid-19-Virus begann: Fertigungsroboter, die unermüdlich und vor allem unbehelligt von Viren Dienst tun, sind auf dem Vormarsch. Ihre Einführung weckt lange nicht mehr so viel Kritik wie zuvor, denn dank ihnen produziert so manches Unternehmen überhaupt noch - und kann so manches Gehalt erst bezahlt werden.
Schon 2018 prognostizierte das Weltwirtschaftsforum, dass bis 2025 Maschinen mehr Arbeiten erledigen werden als Menschen. Die rasante Entwicklung von Maschinen und Algorithmen am Arbeitsplatz könnte jedoch 133 Millionen Jobs entstehen lassen. Dem gegenüber stehen laut der Analyse 75 Millionen Jobs, die verschwinden werden. Es werden also gar nicht viele Jobs verschwinden, sondern Neue entstehen. „Zu den dringenden Herausforderungen zählen Weiterbildungsangebote, die Ermöglichung von Telearbeit und bessere soziale Absicherung für gefährdete Arbeitnehmer”, hieß es schon damals.
Klassische Führungskräfte werden im Homeoffice überflüssig
Aber nicht nur in Werkhallen, auch in den Verwaltungsabteilungen beschleunigt sich gerade der Wechsel hin zu Hightech: Chatbots, die auf Routine-Fragen etwa zu Krankmeldungen oder Kurzarbeit automatisch Auskunft geben können, sind zum Beispiel in den Personalabteilung bei Siemens im Einsatz.
Künstliche Intelligenz, die geeignete Bewerber anhand von Standard-Videointerviews selektiert oder passende Weiterbildungsmaßnahmen empfiehlt, bekommt aufgrund der Kontaktverbote einen deutlichen Schub und macht menschliche Profis überflüssig.
Außerdem hat das größte Organisationsexperiment aller Zeiten mit seinem hohen Maß an Selbstorganisation, Eigenverantwortung und flexiblen Netzwerk-Strukturen im Homeoffice gezeigt, dass Arbeit viel häufiger als gedacht auch ohne Hierarchien funktioniert. Katharina Lochner sagt angesichts der inzwischen unter Mitarbeitern weitverbreiteten Erkenntnis der Selbstwirksamkeit: „Klassische Führungskräfte werden zum großen Teil überflüssig“.
Zukunftsforscher: Unternehmen sollten auf agiles Arbeiten umstellen
Ein Unternehmer, der später wieder zum starren Führungs-Prinzip „Steuerung und Kontrolle“ zurückkehrt, begibt sich in große Gefahr. Zu langsam, zu unflexibel, zu wenig innovativ. „Er wird an den Punkt kommen, an dem es nicht mehr weitergeht”, sagt Axel Korge. Er ist Forscher für die Zukunft der Arbeit am Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO). „Es gibt immer mehr Anzeichen, dass wir auf eine industrielle Revolution zusteuern. Die Coronakrise, wie auch die Finanzkrise sind nur Symptome”, sagt Korge. Für Unternehmen heißt das vor allem, dass die Verunsicherung zum Alltag wird. Fünf-Jahres-Pläne verkommen zur Utopie.
Die weltweite wirtschaftliche Verflechtung, die Digitalisierung, die alternde Gesellschaft und gesellschaftliche „Megatrends” wie Gesundheit, Gleichstellung und Ethik erzeugen einen Veränderungsdruck. „Unternehmen müssen die Scheuklappen abnehmen und auf Agilität umstellen“, rät der Wissenschaftler. Bedeutet konkret: Statt von oben herab zu agieren, sollten alle Mitarbeiter mehr Verantwortung erhalten, am Arbeitsprozess beteiligt sein.
Agilität bedeutet letztlich, dass ein gewünschtes Ergebnis wie etwa ein Produkt feststeht, aber im Prozess immer wieder auf den Prüfstand gestellt wird. So können neue Ideen oder Umstände mit einfließen. „Nur so können sich Unternehmen erfolgreich anpassen.”
Gute IT-Kenntnisse werden nötig
Doch was heißt das für den Einzelnen? Welche Jobs sind über die systemrelevanten wie Supermarktkassiererin und Arzt hinaus sind eigentlich krisenfest? Das lässt sich zu diesem Zeitpunkt nicht konkret beantworten, sagt Arbeitsökonomin Nicola Düll. Vieles hänge davon ab, wie schnell die Wirtschaft hochgefahren wird. Doch klar sei schon heute: „Es wird einen Digitalisierungsschub geben.”
Konkret heißt das, dass von Facharbeiter über Lehrer bis zum Arzt IT-Kenntnisse unabdingbar werden. „Berufsbilder verändern sich, die Menschen müssen fortgebildet werden,” sagt sie. „IT-Kenntnisse werden in Zukunft in vielen Jobs gebraucht.”
Soft Skills und Lernbereitschaft
Ihre Forschung zeigt auch, dass Menschen mit Flexibilität, Kreativität, analytischem Denken und Problemlösung und Soft Skills besonders gut durchkommen. “Diese Fähigkeiten helfen, um Krisen und Veränderungen, wie wir sie gerade erleben, neu zu gestalten”, sagt sie. Dabei müsse natürlich der Spezialist nicht genauso gut kommunizieren lernen, wie die Führungskraft. Doch beide müssen zumindest nachvollziehen können, was die andere Person macht und meint.
„Was alle mitbringen müssen, ist Offenheit und Lernbereitschaft”, fasst Düll zusammen. Dabei hat der Manager keineswegs einen Vorteil gegenüber der Fachkraft. „Auch der Manager kommt nur durch, wenn er offen für neues und bereit ist, die Branche zu wechseln.” Die Fachkraft müsse sich in ihrem Bereich umschauen: Was kann ich dazu lernen? Welche digitalen Kenntnisse sind künftig gefordert? Und die eigene Qualifikation hinterfragen: Hat es bei mir in der Vergangenheit vielleicht an Kreativität oder Verhandlungsgeschick gehakt?
Kurzarbeit als Chance
Kompetenz- und Wissenslücken zu schließen, dazu könnte gerade die Kurzarbeit eine Chance bieten. „Soweit es digital möglich ist, würde ich jedem raten sich jetzt weiterzubilden.” Doch jede noch so gute Ausbildung hilft kaum, wenn der Job keine soziale Absicherung bietet. Das ist gerade am Beispiel der Solo-Selbstständigen zu sehen. „Sie fallen durchs Raster”, sagt die Arbeitsökonomin Düll. „Viele werden in der Arbeitslosigkeit landen”.
Quelle: karriere.de